Traum - Reise - Bericht "Die Insel und wir im Mai 2023"

And above all, watch with glittering eyes the whole world around you because the greatest secrets are always hidden in the most unlikely places. Those who don’t believe in magic will never find it.
— Roald Dahl
 

MERAKI
ist griechisch und bedeutet, etwas mit Leib und Seele tun.
Es bedeutet, sich einer Sache zu widmen, die einem sehr am Herzen liegt, etwas, das erfüllt und Freude macht.
Dazu gehört auch, offen und neugierig zu sein, den Mut zu haben, neue Schritte zu gehen (oder dort zu fahren, wo es keine Straßen gibt) und die eigenen Grenzen neu abzustecken.

Mein ganz persönliches Meraki ist diese Reise, dieser Rahmen, den ich sowohl mir als auch anderen biete, um ein neues Bild zu malen, etwas auszudrücken, das vielleicht schon lange tief verborgen schlummert.

4859 km - 125 km auf den eigenen Beinen - Staunen

Die Reise beginnt für mich mitten in der Nacht auf den 12. Mai 2023 als ich von Klosterneuburg Richtung Kreta aufbreche. Ich liebe es auf (fast) autofreien Straßen zu fahren und die Stille der vorbeiziehenden Landschaft zu erleben.
Die Vorfreude auf die für mich so kraftvolle Insel beflügelt mich und ich schaffe die erste Etappe über Ungarn und Serbien bis zum Matka Canyon See in Nordmazedonien mühelos. Bereits am frühen Nachmittag erreichte ich über teils sehr schlechte Straßen, aber mit Hilfe freundlichster Menschen, ein abgelegenes Kleinod, eine Schlucht die sich etwa 17 Kilometer südwestlich der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje befindet.
Steile Hänge die links und rechts hinaufragen, eine Schlucht, die scheinbar unendlich in die Weite ragt, der Matka See in seiner so tiefen Farbgebung und die schöne Natur rund um die Schlucht laden mich sofort zu Abenteuern ein und zum Ausgleich nach der langen Autofahrt wandere ich noch durch die Schlucht. Nachdem mir am Seeufer dann doch zu viele Menschen begegnen, beschließe ich nach einem leckeren Abendessen, die Tour auf den nächsten Morgen zu verlegen.

Tag 1:

Klosterneuburg - Matka Canyon Nordmazedonien: 1081 km (Vignettenpflicht Ungarn - Maut Serbien - Maut Nordmazedonien)
Grenzen: Hegyeshalom Ungarn - Horgoš - Röszke Serbien - Presevo/Tabanovce Nordmazedonien

Diese Entscheidung war genau richtig und so durfte ich am nächsten Morgen den Canyon ganz für mich alleine genießen. Weit und breit keine Menschenseele, das Hotel ruhig und das Restaurant und die umliegenden Bootsverleiher noch verschlossen. Ich wandere entlang des Ufers und durch die beinah unberührt wirkende Natur. Ich erreiche nach etwa eineinhalb Stunden die Ruinen des Klosters Matka und tanke Kraft für die Weiterfahrt nach Nordgriechenland. (zurück gelegter Wander-Weg 11,3 km / 307 hm)

Weiter geht es also gestärkt Richtung schwebende Meteora Klöster in Kalambaka und ich beschließe durch das Landesinnere von Nordmazedonien zu fahren. Wunderschöne Ausblicke auf das Baba-Gebirge und den Nationalpark Prespes begleiten die Autofahrt. Es fällt mir schwer das Ziel im Auge zu behalten, gerne wäre ich einfach in diese schönen Landschaften mehr eingetaucht. Eine Kaffeepause in der Natur besänftigt mich und ich fahre weiter Richtung Nordgriechenland.

Kalambaka liegt im Norden Griechenlands, am Fuße von Meteora im nordwestlichen Teil der Ebene von Thessalien. Ich habe vom ersten Augenblick des Erreichens dieser für mich „eigenen Welt“ ein überwältigendes Gefühl des Friedens.
Felstürme, die neben der Stadt mehrere Hundert Meter in die Höhe gewachsen sind, Felsen und die Klöster, die sich auf den Sandsteinfelsen wie schwebend präsentieren und doch ganz sicher am Abgrund zu schweben scheinen.

Schon im Mittelalter suchten Mönche und Einsiedler auf und in den Felsen Schutz und die Nähe zu Gott und teilweise darf man als Besucher auch in diese Welt eintauchen, Klöster besuchen oder verlassene Höhlen der Einsiedler besichtigen.

Obwohl die Gegend um die Klöster von Touristen förmlich überschwemmt wird, begegnet mir eine beinah unwirkliche Ruhe und Stille beim Erkunden der Gegend. Ich bin sehr berührt und beschließe ähnlich wie am Vortag meine Wanderungen in die frühen Morgenstunden zu verlegen. Nach einem genussvollen ersten griechischen Essen erreicht mich auch schon die Müdigkeit und ich beschließe in meine kleine aber feine und sehr herzliche Unterkunft zu gehen. www.spartacushouse.gr

Tag 2:

Matka Canyon Nordmazedonien - Meteora Klöster Kalambaka & Umgebung: 414 km (Maut Nordmazedonien, Maut Griechenland)
Grenze: Medžitlija-Níki (Bitola) über die Europastraße 65

Die Meteora Klöster schweben auf mächtigen Felsen aus Sandstein. Einst wurden 24 Klöster errichtet, in sechs davon leben auch heute noch Mönche und Nonnen. Die Klöster zählen zum UNESCO Welterbe und tatsächlich geht man mit einer gewissen Ehrfurcht durch diese Zauberwelt. Ich wandere am nächsten Morgen früh zwischen Felsen, mit Blick auf Kalambaka, erreiche einzigartige Aussichtspunkte und gehe durch den Steinernen Wald eine etwa 9 km lange Runde. Die Temperaturen sind niedrig und das Wolkengemälde umrahmt die beinah unwirkliche Landschaft.

Überwältigt von den Eindrücken, gestärkt durch die Wanderung und die Freundlichkeit der dort lebenden Menschen, fahre ich nachmittags Richtung Piräus zur Fähre auf die Insel, die abends ablegen wird.
Kurz vor Athen mache ich noch eine Pause neben der Autobahn und beim wieder Auffahren, sehe ich eine Schildkröte. Unglaublich! Ja, ich muss sie retten! Und tatsächlich gelingt die Bergung und ohne darüber nachzudenken, dass ich auf einer Autobahnauffahrt parke, zögere ich keinen Augenblick. Die Magie dieses Augenblicks begleitet mich noch lange und ich frage mich, ob es nicht noch viel mehr Dinge gibt, die ich machen könnte, um Tiere und ihre verloren gegangene Natur mehr zu schützen. “Brauche ich das Auto wirklich?” Diese Frage stelle ich mir immer und immer wieder.

Als ich Athen erreiche, spüre ich die wachsende Vorfreude auf die Insel und im Trubel des Verkehrs bin ich auch nicht verunsichert, als ich mich verfahre und in Gegenden lande, in denen ich eigentlich nicht sein sollte. Das Zeitfenster bis zum Ablegen der Fähre wird kleiner, aber ich schaffe es noch rechtzeitig. In Athen fahre ich ja lieber als in Wien und so manche Begegnung mit Motorradfahrern oder anderen Autofahrern werde ich in guter Erinnerung behalten. Die Regeln werden selten eingehalten, aber dennoch gibt es trotz starkem Verkehrsaufkommen kaum Stau. Der Fährhafen von Piräus ist auch etwas undurchsichtig und dennoch gelingt es mir immer die richtige Ablegeposition zu finden. Auch auf der Fähre, wo die Hektik des Beladens und Koordinierens spürbar ist, begegnet mir Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit. Die Erlebnisse einer beinah durchwachten Nacht, ich beschließe mir dieses Mal keine Kabine zu leisten und auf den Sitzgelegenheiten in einem der Cafés zu übernachten, werde ich auch lange in Erinnerung behalten. Die Griechen sind eben ein sehr lebendiges Völkchen.

Tag 3:

Meteora Klöster Kalambaka - Piräus : 358 km (Maut Griechenland)
wunderschöne Strecke entlang des Nord-Euböa-Golfs, einer wunderschönen Küstenregion von Lichadonisia

 

Frühmorgens erreiche ich Chania, eine Hafenstadt im Norden der Insel Kreta und mein Herz hüpft vor Dankbarkeit, dass bis dahin alles gut gegangen ist. Hinzu kommt die Vorfreude auf Abenteuer auf der Insel, die kleine Gruppe, die Mittwochs ankommen wird und Wiedersehen mit liebgewonnenen Menschen.
Gemütlich fahre ich ein wenig durch die Gegend, meine Übernachtungsmöglichkeit liegt etwas außerhalb der Altstadt von Chania und wird erst später mein Ziel sein. Ich möchte das Meer begrüßen und mir Zeit zum Ankommen gönnen. Die kurze Nacht auf der Fähre wirkt noch etwas nach, bremst aber kaum meine Unternehmungslust.

Tag 4 & 5:

Piräus - Chania :
Fähren Anek & Minoan verkehren täglich (ab 21:30 / 22 Uhr – Ankunft 6 / 6:30) ab Piräus nach Chania. Schwimmzeit 8 – 8,5 Stunden. Kosten ca. inkl. Auto & Airseat (keine Kabine) € 125

Meine Unterkunft in Chania bereitet mir pure Freude. Das Kumba Hostel (Ja! Ich darf tatsächlich hinein ;-) bietet mir ein ruhiges Einzelzimmer mit allem was ich brauche. Es ist chick eingerichtet und das ganze Haus strahlt in seiner geschmackvollen Mischung aus afrikanischem und griechischem Interieur. Ich fühle mich die zwei Tage sehr wohl und auch die etwa 20-minütige Wegstrecke in die Altstadt sind eine willkommene Abwechslung zur langen Autofahrt.

 

Am nächsten Tag beschließe ich, einen Ausflug in den Botanischen Park von Kreta zu unternehmen. Der Park liegt ca. 19 km südlich von Chania in der Nähe des Dorfes Meskla am Kamm der Weißen Berge.

Ein Strommastdraht löste 2003 ein verheerendes Feuer aus und brannte das Dorf Skordalou und die umliegende Region komplett nieder. 60 000 über 400 Jahre alte Olivenbäume verbrannten. Eine Familie, Eigentümer eines großen Landes schufen dann den fast 20 Hektar großen Botanischen Garten. Bäume, Blumen, Kräuter, Heil- und Zierpflanzen aus aller Welt wachsen in dem wunderbaren Mikroklima dieser Region und ermöglichen den Besuchern eine beeindruckende Artenvielfalt. Auch Tiere dürfen in dem riesigen Garten leben und so manch‘ sehr nahe Begegnung bereiteten mir große Freude. Ich möchte den Park die nächsten Jahre unbedingt in mein Programm aufnehmen.

Und dann ist es endlich soweit und meine Teilnehmerinnen landen am Flughafen in Chania. Ich spüre ein wenig Nervosität, möchte ich doch all ihre Wünsche und Bedürfnisse erfüllen und sie mit dem geplanten Programm nicht überfordern. Für den Vormittag habe ich mir überlegt, ihnen die schönsten Buchten der Nord-West-Seite zu zeigen. Wir fahren also Richtung Balos, um dort die ersten Eindrücke zu sammeln und uns auszutauschen.
Die Bucht von Balos zwischen der Halbinsel Gramvousa und dem vorgelagerten Eiland Tigani der Insel präsentiert sich als eine der schönsten Küsten- und Badelandschaften Kretas. Bis Kissamos ist die Fahrt durchaus angenehm, danach beginnt eine etwas holprige Piste. Etwa 8 km (dafür braucht es über eine halbe Stunde) fahren wir auf einer Stein-Schotter-Straße direkt neben der Steilküste und dem Meer, vorbei an Ziegenherden und zusammen mit anderen über die Schlaglöcher und Bodenwellen vorsichtig fahrenden Touristen. Wir sind etwas spät dran, um die Bucht für uns alleine zu haben, aber wir freuen uns dennoch auf die Lagune. Nachdem wir den ziemlich vollen Parkplatz erreicht haben, gehen wir den Fußweg (etwa 1,8 km) hinunter zum Strand.

Nach einer feinen Wanderung durch die schöne Dünenlandschaft und kurzer Rast fahren wir weiter auf der Westküste Richtung Elafonisi in den äußersten Südwesten, machen unterwegs Halt bei einem einzigartigen Holzkünstler, der mit deinen liebevoll gestalteten Verpackungen beinah vergessen lässt, was man gekauft hat und staunen über die schöne Landschaft der Topolia Schlucht entlang des Weges.
Elafonisi ist bekannt für seine paradiesische Lagunen-Landschaft, seinen feinen rosa schimmernden Sandstrand und dem seichten in schönen Türkistönen leuchtenden Meer und bietet mit seiner 1, 5 km langen Dünen-Insel, die abhängig von Jahreszeit, Strömung und Wetter mit dem Ufer verbunden oder vom Meer getrennt ist, eine sehr schöne Kulisse zum Gehen und Staunen.

Um dem Strom an Urlaubern auszuweichen, beschließen wir erst am nächsten Morgen zu einer Wanderung Rund um die Lagune aufzubrechen. In unserer schönen Unterkunft Elafonisi Resort der Familie Kalomirakis fühlen wir uns wohl und genießen ein feines griechisches Abendessen.

Die traumhaft schöne Lagune präsentiert sich am nächsten Morgen noch mit wenigen Besuchern und wir wandern kniehoch durch das kristallklare Wasser und entlang der Dünenlandschaft.
Wir sehen Bereiche, die wir nicht betreten dürfen da es Brutgebiet für viele Tierarten (Caretta-Caretta Schildkröte und Vögel) ist. Wir sehen verschiedene Pflanzen, die in den Dünen gedeihen, darunter Strand-Hyazinthen, Lilien und verschiedene Wacholderarten.

Der rosafarbene Sand im Uferbereich entstand aus zermahlenen Muschelschalen und Korallenstücken.

Wir wandern zur westlichen Inselspitze, erreichen eine verlassene Höhle und die Kirche Agia Irini mit dem Metall-Leuchtturm. Eine Miniaturkapelle ist als Denkmal für das Schiffsunglück des österreichischen Dampfers Imperatrix im Jahr 1907 errichtet worden.

 
 

Weiter geht unsere Erkundungsreise Richtung Omalos Hochebene und Dorf zugleich und umgeben von den „Weißen Bergen“, den Lefka Ori, die oft bis Juni mit Schnee bedeckt sind. Die Hochebene liegt auf einer Höhe von 1040 bis 1250 Metern und ist auch unser Startpunkt für die Wanderung durch die Samaria Schlucht.

Auf dem Weg nach Omalos befindet sich die Agia Irini Schlucht, die wir durchwandern wollen und die mir mit ihrer angenehmen Stille und Vegetation nachhaltig in Erinnerung bleiben wird. Mit einer Länge von 8 km erscheint sie uns als machbar für den Nachmittag und tatsächlich kommen wir relativ gut voran. Die Wanderung startet in einer Höhe von ca. 600 Meter und dann geht man etwa 500 Meter hinunter. Viele bunte Blumen säumen unseren Weg und besonders auffallend sind die unzähligen Drachenwurz Pflanzen mit auffälliger lila Blüte.
Pfade, die im Schatten der Zypressen und Platanen an plätschernden Bächen vorbei führen begleiten ebenso unseren Weg, wie wilder Oleander am Wegesrand und der Duft von Kräutern und Wildblumen die blühen.

Es ist so angenehm, dass wir keinen Menschen begegnen und wir bewundern Bäume, die an den unmöglichsten Stellen Kraft finden um Wurzeln zu schlagen.
Obwohl vor allem das letzte Stück der Wanderung über Gesteinsbrocken und grobes Flussgestein führt, schaffen wir den beeindruckenden Weg in einem guten Tempo mit 4 Stunden Gehzeit.

Am oberen Ende der Schlucht haben wir sogar Glück und teilten uns mit einer Familie die Kosten für ein Taxi zum Ausgangspunkt zurück.

Omalos erreichen wir am späten Nachmittag und nach einem kräftigenden guten Essen im Hotel Neos Omalos, einer einfachen aber sehr herzlichen Herberge vor allem für Wanderer, richten wir noch den Wanderrucksack für die lange Tour am nächsten Tag. Die Samaria Schlucht steht als Highlight auf der Reise-Liste.

So steht uns also am nächsten Tag die Wanderung durch die Samaria Schlucht bevor. 17 km sind es ca. und 1200 Höhenmeter, die es gilt, hauptsächlich bergab, zu bewältigen. Wir denken, wir sind früh dran, aber als wir mit sehr vielen anderen Menschen bereits beim Eingang im Stau stehen, wissen wir, alleine werden wir nicht sein.
Es geht stetig steil über Serpentinen bergab. Die Schlucht ist bereits zu Beginn beeindruckend und nach etwa einer Stunde erreichen wir den Rastplatz Agios Nikolaos mit schattigen Plätzen unter Bäumen und Trinkwasserquellen zur Erfrischung. Hier gab es in der Antike einen Tempel und die Bäume an dieser Stelle sollen 2000 Jahre alt sein.

Der Weg führt weiter am Fluss entlang und verschiedene Baumarten umrahmen ihn. Immer tiefer geht es in die Schlucht, Felswände türmen sich immer weiter auf und werden höher und der Weg schmaler. Die „Eiserne Pforte“, die engste Stelle der Samaria Schlucht durchqueren wir aufgeregt. Der Weg wird dann wieder breiter und nach rund zwei Kilometer erreichen wir eine Taverne und somit das Ende der Schlucht.

Die Sonne brennt auf uns herunter und es ist unvorstellbar, dass sich hier im Sommer Menschen durch die Schlucht quälen. Wir sind zwar bei kühlen 6° gestartet, aber sehr bald schon heizte die Sonne auf uns und stellenweise ist es wirklich sehr heiß.
Alles in allem erleben wir eine sehr schöne Wanderung in einer vielseitigen und beeindruckenden Landschaft, berührenden Momenten in der Gruppe und Eindrücken, die wir in guter Erinnerung behalten werden. Aber die Menschenmassen, die täglich durch die Schlucht marschieren haben wir auch erlebt, und das war mitunter auch anstengend und unangenehm. Ich überlege noch, ob ich die Schlucht weiter im Programm behalte oder die nächsten Jahre auf andere weniger überlaufene Gebiete ausweiche.

Mit der Fähre geht es von Agia Roumeli weiter nach Sougia, von wo uns der Bus dann zurück nach Omalos bringt. Dieser letzte Abschnitt ist turbulenter als die gesamte Schluchtenwanderung, da wir zwar ein Fährticket in Agia Roumeli gekauft haben, aber keinen Busfahrschein und somit in Sougia an einen unfreundlichen Busfahrer geraten, der uns dann mit einem wütenden Vortrag in griechischer Sprache “gerade noch” in den letzten Bus des Tages einsteigen lässt. Ja, auch das kann Kreta sein, ist aber wirklich sehr selten. Ich hätte mich im Vorfeld einfach besser informieren müssen, konnte mich einfach nicht mehr erinnern, dass es je so unübersichtlich gewesen war, zu einem Busfahrschein zu kommen. Auch die Tatsache, dass die Fähre bei starkem Wellengang nicht ablegt, hatte ich nicht bedacht. Einen Tag vor unserer Fahrt ist sie im Hafen von Agia Roumeli aufgrund einer Sturmwarnung liegen geblieben, was für Wanderer bedeutete, eine Nacht im kleinen Dörfchen verbringen zu müssen. So gesehen haben wir Glück und der unfreundliche Busfahrer ist schnell vergessen.

 

Die Fahrt am Samstag von Omalos Richtung Kerames über Spili ist für mich jedes Mal etwas ganz Besonderes. In Richtung Süden, dem Meer schon ganz nah, machen wir eine längere Pause in Spili, einem malerischen Bergdorf ca. 20 km südlich von Rethymno am Fuße des Berges Vorizis, einem Ausläufer des Kedros.
Der Löwenkopfbrunnen von Spili aus dem 16. Jahrhundert versorgt uns mit erfrischend kühlem Wasser und wir flanieren entlang der Straße mit interessanten Geschäften, die Kräuter, Souveniers, Kleidung, Keramiken und allerlei andere schöne Sachen anbieten. Ein kleines Café versorgt uns mit griechischem Kaffee und wir genießen Süßigkeiten der Region.

Dann geht es noch über den Berg Siderotas (1177 m) hinunter nach Kerames, die für mich schönste Gegend der Insel. Das Meer liegt uns zu Füßen und wir freuen uns schon, unser schönes Haus beziehen zu dürfen. Nektaria und Matheious begrüßen uns herzlich und dem Ankommen auf der schönen Insel steht nun nichts mehr im Weg.

Von nun an bestimmt die kraftvolle Natur, die Wünsche und Anliegen der Teilnehmerinnen und nicht ein vorgegebener Terminplaner für die Tagesabläufe. Ich habe während der letzten Jahre auf der Insel Ideen und Möglichkeiten für Ausflüge gesammelt, lasse mich aber gerne von der Energie am Tagesbeginn leiten, gehe auf Wünsche ein und versuche die unterschiedlichen Erwartungen zu berücksichtigen.
Dieses Mal allerdings ist die kleine Gruppe so harmonisch, dass wir schon bald einen unglaublich schönen ausgeglichenen Rhythmus in Bewegung und Ruhe, Miteinander und jeder für sich finden, und die Tage klingen jedes Mal einzigartig erfüllt und entspannt aus.
Wanderungen, Ausflüge, Spaziergänge oder einfach im schönen Ambiente des Hauses die Seele baumeln lassen oder kreativ sein, alles darf sein und wir spüren von Tag zu Tag mehr ein Ankommen im Eigenen, geschützt in der Gruppe. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung, gab es doch in den letzten Jahren immer wieder kleinere und größere Herausforderungen mit der Gruppendynamik.

Das uns begleitende Wetter ist natürlich auch ein Faktor, den es zu berücksichtigen gibt, und so lassen wir uns die ersten Tage in sehr abwechslungsreichen Witterungen treiben. Wir kaufen in Kerames im kleinen Minimarket ein, fahren durch die Kourtaliotiko Schlucht und genießen Wiedersehensfreude und gutes Essen bei Dyonisos in der Nähe der berühmten Palmenschlucht von Preveli.

Nach Morgenübungen direkt neben dem Meer machen wir einen Ausflug nach Rethymnon auf der Suche nach Stricknadeln und Wolle. Ja! Keine Wünsche bleiben unerfüllt auf unserer Reise. Und tatsächlich werden wir nach längerer Suche und verschlossenen Türen dann doch noch fündig. Die kleine Hafenstadt ist bunt und lädt in ihren zahlreichen Einkaufsstraßen der Altstadt zum Flanieren und Einkaufen ein.

Am nächsten Tag beschließen wir die Wanderung Rund um die Preveli Schlucht (ca. 7,5 km / 320hm / ca. 3 Stunden) ab der alten Steinbrücke von Preveli.
Früh am Morgen brechen wir auf, parken das Auto gegenüber der Taverne Gefari und genießen die noch verschlafene Ruhe am Weg. Entlang des Flusses Megalopotamos auf der rechten Seite beginnen wir zu gehen und merken, dass wir eigentlich auf die andere Seite müssen. Wir queren das eiskalte Flusswasser und sehen die alte Steinbrücke. Der Weg beginnt auf der asphaltierten Straße und erst nach ein paar Schritten biegen wir rechts in den eigentlichen Weg in ein Tal ein. Sträucher, Bäume und eine vielseitige Landschaft säumen unseren Weg. Herrliche Ausblicke folgen auf einer Anhöhe und wir sehen die Küste. Es ist sehr beeindruckend und wir beschließen eine Pause mit Jause zu machen.
Anschließend gehen wir weiter hinunter zum Palmenstrand von Preveli, der mich jedesmal aufs Neue beeindruckt. Zu dieser frühen Stunde sind auch noch kaum Besucher unterwegs und wir gönnen uns mit Blick auf das Meer und die Süßwasserbucht in der Taverne einen Kaffee .
An der Schlucht entlang (diesmal auf der anderen Seite) geht es weiter über zahllose Stufen hinauf bis wir eine Anhöhe und einen überdimensionierten (aktuell leeren) Parkplatz erreichen. Die etwas knifflige Suche nach dem Weg in dieser künstlichen Landschaft schaffen wir und gehen wieder Nahe der Natur und sehr schönen Eindrücken weiter bis wir zum Ausgangspunkt zurück kehren. Mittlerweile ist der Parkplatz gefüllt und wir sehen zahlreiche Wanderer die sich gerade erst auf den Weg machen. Wie gut, dass ich so liebe früh aufstehende Mitreisende bei mir habe!

Es sind ebenso die stillen Momente, die wir zusammen verbringen, wie die Gespräche und Aktivitäten, die mich immer wieder innehalten und demütig dankbar werden lassen. Auch ich lerne sehr viel, erhalte wertvolle Impulse, die mich zum Nachdenken bringen, und wir gestalten wohl jede für sich und doch im Miteinander ein wunderschönes Bild dessen Rahmen diese Reise bietet. Auch wenn die vielen Arbeitsunterlagen und Anleitungen, die ich mitgebracht habe, kaum Verwendung finden, erlebe ich täglich ein enormes Wachsen und Aufblühen von uns allen. Die Eindrücke während unserer Wanderungen, die Einfachheit im Sein und Erleben und der Austausch tun uns allen sehr gut. An manchen Tagen ziehen wir uns nachmittags zur “Zimmerstunde” zurück. Ein Schläfchen oder einfach nur im Eigenen ruhen, laden die erschöpften Batterien wieder auf. Wir erkennen, wie sehr uns der Alltag zu Hause fordert und das Laute und Viele der Stadt auch überfordert. Wie schön ist es doch einfach Mal nur zu sein und das mit gutem Essen, einfachen Programm und der puren Kraft der Insel. Wir atmen ein. Wir atmen aus.

Etwas, das ich besonders liebe und sehr gerne angenommen wird, ist die Shiatsu Zeit unter dem Olivenbaum. Die Reise beinhaltet ja für die Teilnehmerinnen eine Shiatsu Behandlung. Manchmal wird daraus auch eine Massage oder eine Watsu Sitzung im Pool. Welch’ schöne Begegnungen, welch’ wundervoller Ort dazu. Das Meer im Rücken und der abwechselnde Gesang des Windes und zwitschernder Vögel. Einfach herrlich unbeschwerlich!

Zum Thema “Kreativität” oder wie ich es sehe, Ausdruck eines tief schlummernden Gefühls der Kindheit, einfach aus allem etwas Schönes zaubern zu können, erinnere ich mich an die Aussage einer Teilnehmerin, die auf meinen Vorschlag, “wir basteln heute etwas…” mit dem Satz reagiert hat: “Ich kann das nicht.”
Nachdem ich immer nur einlade und keinen Zwang mit meinen Vorschlägen verbinde, lasse ich gerne auch die Möglichkeit des Beobachtens zu oder des Angreifens, des Suchens nach Dingen aus der Natur, die sich gut angreifen oder einfach gefallen. Danach entsteht dann beinah automatisch ein Formen oder der Wunsch etwas daraus zu machen. Das Kindliche wird geweckt, die Freude am geistlosen Tun, dem unbändigen Ausdruck des Gestaltens. Wie schön diese kreativen Nachmittage in Erinnerung bleiben.

Unser letzter Ausflugstag führt uns zum Red Beach in Matala, dem Kräuterparadies Botano und nach Agia Galini, einem kleinen Ort der mich mit vielen Erinnerungen erfüllt.

Die Wanderung von Matala zum Red Beach ist sehr unwegsam aber beeindruckend und wird mit dem wunderschönen roten Sandstrand belohnt. Wir finden ein schönes Platzerl’ und gehen nackt schwimmen. Das Meer ist erfrischend kühl, herrlich klar und das Gefühl mit nacktem Körper von den Wellen getragen zu werden ist einzigartig und sehr kraftvoll.

Sehr lebendig und dankbar für die wunderbaren Momente gehen wir zurück nach Matala, dem ehemaligen Hippie-Dorf, das bunt und fröhlich eingebettet in eine schöne Felsenlandschaft von Besuchern überschwemmt wird. Wir bleiben nicht lange und beschließen der Touristenflut zu entkommen.

Mein lieber Kräutermann “Botano” und seine Demeter zertifizierte biodynamische Kräuterfarm sind umgezogen. In Listaros ist das neue hübsche Geschäft, etwa eine halbe Stunde entfernt von Agia Galini, eingebettet in die schöne und kraftvolle Landschaft des Südens von Kreta. Botano bietet eine große Auswahl an Kräutern, Tees und Gewürzen und wir werden empfangen mit dem herrlichen Duft der Vielfalt der Natur. Ein ganz besonderer Ort, den ich schon seit vielen Jahren besuche und der mich immer wieder inspiriert, mir die nötigen gesundheitserhaltenden Dinge des Lebens achtsam aus der Natur zu holen. Vieles kann man trocknen und aufbewahren oder mit Gewürzen und Kräutern einlegen und haltbar machen. Die kretische Küche zeigt mir auch jedes Mal wie viele Gerichte mit Einbezug der saisonalen Verfügbarkeit von Gemüsesorten und Kräutern eigentlich kein Fleisch brauchen.

 

Mit vielen Eindrücken und Erfahrungen neigt sich unsere wunderbare Reise dem Ende zu. Der letzte Tag ist sehr stürmisch und wir besuchen den großen Wasserfall in der Kourtaliotiko Schlucht, beobachten Menschen beim Schwimmen unter dem Wasserfall und sammeln die letzten schönen Bilder für eine Erinnerung, die uns zu Hause im Alltag wieder beflügeln und stärken soll. Ich nehme im Herzen immer viel Gutes mit, die Kraft der Natur, die Freundlichkeit der Menschen und die Möglichkeit, mit Bildern im Kopf und der Ruhe der Atmung in die Gelassenheit gehen zu können, wann immer mir danach ist. Selbst der Duft der Insel bleibt abgespeichert und ist immer abrufbar.

 

Wege - Menschen - Tiere - Inselleben - Meereskraft - Sonnenschein - Atemluft: Alles bleibt. Im Herzen und überall bei mir. Ich freue mich auf das Wiedersehen im September!

 
Gabriella Erber