Einfach Liebe.

  1. März 2022

Lasst uns an Wunder glauben, die Zuversicht nicht verlieren und im Kleinen das Große erkennen.

Hamida und ihre kleine Lynn – Begleitung zum Wunder.

Ich möchte euch an einer wunderschönen Geschichte teilhaben lassen, die mich einmal mehr zu dem Gedanken gebracht hat, der mittlerweile meinen Weg grundlegend bestimmt: „Ich darf vertrauen.“

Anfang Jänner 2022 lernte ich im Zuge des PIP Pilotinnenprojektes des Hebammenzentrums, in dem Hebammen seit 2011 kostenlos Frauen in der Schwangerschaft und nach der Geburt betreuen und auch als Unterstützung Doula-Begleitungen ermöglichen, Hamida kennen.
Über unser Doulanetzwerk bekam ich die Anfrage von einer lieben Doula Kollegin weitergeleitet und ich meldete mich mit Vorfreude auf das Kennenlernen.

Clara Seidl-Konzett, Hebamme im Hebammenzentrum ergänzte neben Barbara Lusher, als Back-up-Doula die Runde der Begleitung für Hamida.

Hamida berührte von Beginn an mein Herz. Mit ihrer sanften Zurückhaltung, ihrer Bescheidenheit, Liebenswürdigkeit und Wertschätzung für jedes Detail der Begleitung, schlossen wir Freundschaft und nachdem sie nur wenige Minuten von meiner Shiatsu Praxis entfernt wohnt, fügte der Zufall die Erleichterung für regelmäßige Treffen in der Schwangerschaft dazu.

Hamida benötigte noch Einiges in der Baby-Ausstattung und Dank meines lieben Umfelds und einiger Klientinnen, die bereits größere Kinder haben, konnten wir Vieles abdecken. Stillkissen, Babykleidung, Pflegeutensilien, Windeln und sogar Spielsachen fanden den Weg zu Hamida. Manches besorgte ich ohne Nachdenken, da es ja auch meine Tochter sein hätte können, die Nachwuchs erwartet.

Der errechnete Entbindungstermin rückte näher. Hamida war im AKH zur Entbindung vorgemerkt und in 2tägigen Intervallen wurde sie nach Überschreiten des Geburtstermins zur Kontrolle gebeten. Durchschnittlich 3 – 5 Stunden verbrachte sie im AKH mit Warten auf die Untersuchung.
Einmal begleitete ich sie ins AKH, nachdem sie über Schmerzen klagte. Der pandemiebedingte Ablauf im Eingangsbereich ist milde beschrieben sehr anspruchsvoll. Lange Wartezeiten und Kontrollen bevor man ohne Termin wieder weg geschickt wird. Ich lasse nicht zu, dass man uns abwimmelt.
Nachdem ich einen Rollstuhl für Hamida besorgt habe, fahren wir in die Notaufnahme. Auch dort, lange Wartezeiten, Kontrollen und ein Ablauf, der vor allem für Patienten, Menschen mit Beschwerden und Schmerzen und für ältere Menschen sehr beschwerlich ist. Begleiten durfte ich Hamida nicht weiter als in den Eingangsbereich der Notaufnahme. Es wurde eine Kontrolluntersuchung durchgeführt und Hamida mit der Feststellung, alles sei in Ordnung, nach Hause geschickt.

Am 19.2., Hamidas Schwangerschaft war bereits über den errechneten Geburtstermin voran geschritten, das AKH hätte am 21.2. die Geburtseinleitung vorgenommen, besuchte ich sie wieder und erklärte ihr welche Möglichkeiten es gäbe, das Baby einzuladen, sich doch die Welt von der anderen Seite anzusehen.
Hamida wollte eine Einleitung verhindern und wünschte sich nicht nur aufgrund ihrer Schmerzen in den Beinen, dass es endlich losgehen würde.

Ich wählte den intensiven Zugang über Shiatsu und Körperarbeit, klebte Dauer-Akupunktur-Pflaster auf Akupunkturpunkte, die hilfreich sein könnten und brachte Hamida eine Teemischung, die ebenfalls unterstützend für den Wehenbeginn wirken könnte.
Wir wählten unterschiedliche Positionen, mobilisierten Becken- & unterer Rückenbereich und über die außerordentlichen Gefäße (Meridiane, die tiefergehende Wirkung zeigen) und einzelne Punktekombinationen wurde eine intensive aber achtsame Einladung ausgesprochen. In Gedanken und auch hörbar sprach ich immer wieder mit Hamida’s Baby, lud es ein, sich langsam auf den Weg zu machen und hieß es willkommen.
Es war eine schöne Zeit mit den beiden und abends verließ ich sie mit der Bitte, sich soweit möglich zu entspannen und zu versuchen zu schlafen.

Um 20:15 Uhr schrieb sie mir eine Nachricht, der Schleimpfropf wäre mit etwas Blut abgegangen. Um kurz nach 22 Uhr dann die Nachricht, sie würde in 10minütigem Abstand Wehen spüren.
Ich machte mich sofort auf den Weg zu Hamida.
Angekommen merkte ich, es waren tatsächlich in regelmäßigen Abständen Wehen, die Hamida in unterschiedlichen Positionen gut veratmen konnte.
Ich versuchte die Hebamme zu informieren und kontrollierte noch einmal alles nötige für den Weg zur Klinik. Köfferchen, Rucksack mit allem Wichtigen und mein Doula Tascherl mit vielen kleinen Helferlein. Alles war bereit.

Wir beobachteten die wiederkehrenden Wehen, spazierten in den Pausen durch die Wohnung und Hamida zeigte auch in diesem Abschnitt ihre wunderbare Kraft und Gelassenheit.

Um 23:30 Uhr beschlossen wir den Transport ins AKH in die Wege zu leiten. Der Transportdienst hatte aber keinen verfügbaren Wagen und wir informierten die Rettung. Ich rechnete mit etwas Wartezeit, aber 46 Minuten waren dann doch sehr lang.
Die Wehenpausen waren schon deutlich verkürzt, Hamida lag in Seitenlage im Bett und ein Herumgehen oder ein Positionswechsel war schon sehr schwierig.

Das Team der Rettung muss ich besonders loben, da mit einer sehr respektvollen Art und Weise, ganz ohne Hektik, der Ablauf für Hamida soweit die Umstände es zugelassen haben, angenehm war. Behutsam wurde sie in den Rettungswagen gebracht, das Gepäck und ich mit dazu. Meine Begleitung wurde nie in Frage gestellt und wie der weitere Verlauf zeigt, war wohl der Rettungsarzt ausschlaggebend für den weiteren Verlauf meiner Begleitung.
Bereits das Eintreffen beim AKH wurde durch den Security zur Hürde und erst nach dringlichem Zuspruch des Rettungsarztes durfte ich weiter mitgehen.

 

 

Bei der Rezeption der Geburtenstation war dann aber vorerst Endstation für mich. Etwas unfreundlich wurde ich trotz tagesaktuellen negativen PCR-Test und 3fach Impfung auf den Bereich „vor der Tür“ verwiesen. Hamida kam zur CTG Untersuchung und uns trennte nur eine Tür.
Nach etwa 40 Minuten wurde ich dann sehr unsanft auf den wenige Meter entfernten Wartebereich verwiesen. „Ich hab‘ doch gesagt, vor der Tür!“
Für mein Verständnis saß ich „vor der Tür“, aber offensichtlich bei der falschen Tür.

Kurz darauf holte mich die diensthabende Hebamme mit der Information, Hamida würde aufgenommen werden, da der Muttermund zwischen 7 – 8 cm geöffnet wäre. Großartig dachte ich mir und war froh, bei ihr bleiben zu dürfen.

Aktuell handhaben es die meisten Kliniken so, dass Frauen, die zwar Wehen haben aber der Muttermund nicht ausreichend geöffnet ist, ohne Begleitperson ihre Runden im Krankenhaus drehen müssen. Manchmal werden sie aber auch wieder nach Hause geschickt.


Um kurz vor 2 Uhr Früh wurden wir in den Kreissaal gebracht und Hamida nahm auch ihre weiteren Wellen in einer kraftvollen und tapferen Art an. Wir wechselten soweit möglich die Positionen, probierten Peanut-Ball, großen Gymnastik-Ball und Positionen im Gehen und Stehen. Ich versuchte wieder meinen Zugang mit einer Mischung aus Shiatsu, Haltetechniken, Akupunkturpunkten und liebe-volle Aufmerksamkeit als Begleitung für den weiteren Geburtsverlauf.

Die Hebammen gingen sehr respektvoll mit der Situation um. Selten habe ich einen so liebevollen Zugang erlebt. Hamida wurde alles ruhig und ausführlich erklärt und sie wurde stets für den guten Verlauf gelobt. Zuspruch der ihr sehr gut getan hat und aus dem sie neue Kraft schöpfen konnte.

Ein mitgebrachter Gugelhupf, Traubenzucker, Tee und Energiekugeln ergänzten die Möglichkeiten, sie in Wehenpausen weiter zu stärken.

Dann lud man uns ein, Spaziergänge am Gang zu unternehmen und die Toilette als Ort für eine weitere Öffnung zu wählen. Aus den Nebenzimmern hörten wir Frauen, die ebenfalls mitten im Verlauf der Geburt waren, und so nahmen wir das Angebot dankend an.
Mittlerweile war es halb vier Uhr morgens und Hamida überlegte, sich ein Schmerzmittel geben zu lassen. Die Hebamme klärte sie in Ruhe auf, dass es für eine PDA möglicherweise zu spät war und die Geburt nicht mehr lange dauern würde. Alternativ könne sie ihr Lachgas geben, das auch die Schmerzen lindern würde.
Hamida stimmte zu und so bekam sie für kurze Zeit Lachgas. Nachdem bereits die letzte Geburtsphase begonnen hat, das Baby aber aufgrund des festen Gewebes von Hamida immer wieder aus dem Geburtskanal zurück rutschte, überlegte man, wie die Geburt weiter voran gebracht werden konnte.

Hamida wurde in jeder Phase der Geburt alles genau erklärt. Zusätzlich zur Erklärung der Hebammen habe ich versucht, beim Gefühl, es wäre etwas vielleicht nicht ganz klar, es Hamida noch einmal in Ruhe zu erklären. Immer wurde Zeit dafür gefunden und alle waren sehr bemüht, die Entscheidungen von Hamida mit zu berücksichtigen.

Der Kristeller-Handgriff wurde, nachdem das CTG zeigte, das Baby hat Stress, auch angewandt. Auch wenn er in der Geburtshilfe umstritten ist und manchmal ohne Erklärung angewandt wird, so ist er im Fall von Hamida wohl der Grund gewesen, dass keine Not-Sectio durchgeführt werden musste. Es wurde ausreichend zugewartet, viel und verständlich erklärt, von mir wiederholt und versucht ausreichend Alternativen anzuwenden. Nach einer Zeit gab es Hinweise auf eine Sauerstoffunterversorgung des Kindes und es gab Handlungsbedarf.

Um 5:54 Früh erblickte Lynn mit 3160 g Geburtsgewicht das Licht der Welt.
Sofort wurde sie auf die Brust ihrer Mutter gelegt und gleich darauf beruhigte sie sich und zauberte den Anwesenden ein Lächeln in das Gesicht. Ein süßes Wunder, das mit ihren langen Haaren, dem zarten Gesicht und kleinen Fingern auch ihrer lieben Mama die Erleichterung und das Glück brachte.

Es begann eine unglaublich ruhige und fast andächtige Zeit. Alle Anwesenden beglückwünschten Hamida und begrüßten die kleine Lynn. Hamida durfte die Nabelschnur durchtrennen und danach begann die Nachversorgung. Die Geburt der Plazenta und anschließende genaue Kontrolle wurde Hamida genau erklärt und gezeigt.
Eine glückliche und schöne Stimmung, die in Bildern einfach nicht festgehalten werden kann.

Die liebe Hamida, neu geborene Mutter, hat das großartig gemacht. Jede Phase, beginnend in der Schwangerschaft, hat sie kraftvoll geschafft. Ich verneige mich vor ihrer wunderbaren Kraft und werde immer dankbar sein für ihr Vertrauen und dass ich diese schöne Reise mit begleiten durfte.

Der Besuch auf der Wochenbettstation ist mir leider nicht gelungen. Trotz ausgefülltem Formular und Erklärungen, dass der Kindesvater noch im Ausland sei, durfte ich Hamida und Lynn nicht besuchen. Aber es ist gelungen ein „Kümmerei-Versorgungs-Paket“ mit Congees, Säften, Stilltee, Gugelhupf und kleinen Snacks in das Krankenhaus zu schmuggeln.

Auch das Abholen wurde uns nicht leicht gemacht. Ich durfte nur im Haupteingangs-Bereich mit Maxi Cosy auf Hamida warten.

Aber die Wiedersehensfreude und Begrüßung von Lynn konnte uns keine Bestimmung verderben und wir freuten uns, einander wieder zu sehen.

Warm eingepackt ging es dann nach Hause und dort angekommen konnten die beiden lieben Menschen nach dem doch anstrengendem Krankenhausalltag endlich zur Ruhe kommen.

Josef, der Papa von Lynn kam dann auch zur kleinen Familie und jetzt hat sie Zeit, Ruhe und die Möglichkeit im Neuen anzukommen.

Für mich bleibt es ein unvergessliches Ereignis, das im Vertrauen Unmögliches möglich gemacht hat und der ersehnte Schutz der beiden lag mir jeden Augenblick am Herzen. Es stelle sich niemals die Frage, ob sich das irgendwie ausgehen wird mit meiner Praxisarbeit, keinen Moment des Zweifelns, immer ein Gefühl, das alles gut gehen wird und jede Zuversicht, die möglich ist um alles für Hamida zu machen, was sie sich gewünscht hätte. Liebes Leben, DANKE.

Gabriella Erber