Wenn Mama nicht mehr kann.

Darf eine Mama mal “außer Betrieb” sein?

Das heutige Gesellschaftsbild einer Frau und Mutter entspricht einer Superwoman mit teils übernatürlichen Kräften. Gleichzeitig versorgt sie die Kinder, meistert Haushalt, Kühlschrankinhalt und sämtliche Familientermine in einem Atemzug.

Wie lange geht so eine herausfordernde Beanspruchung gut?

  • Ich möchte gut genug sein für meine Kinder.

  • Ich habe die letzten drei Wochen kaum geschlafen.

  • Mein Partner/meine Partnerin kommt jeden Abend spät von der Arbeit und muss auch am Samstag arbeiten.

  • Ich fühle mich wie eine Versagerin.

Diese und ähnliche Feststellungen höre ich sehr oft von Müttern die verzweifelt sind.
Zusätzlich zur eigenen Wahrnehmung werden Frauen heute auch noch von Aufforderungen aus Social Media Foren gepusht.
Du bist eine starke Frau. Du schaffst das schon. Gib nicht auf. Es wird schon wieder werden.

Ich finde diese Botschaften nicht besonders hilfreich und genau dieses jahrzehntelang aufgebaute Bild der “Superwoman” setzt Frauen im Heute sehr unter Druck.

Mama werden ist nicht schwer. Mama sein dagegen manchmal sehr.
Das heutige Bild einer Frau, die Mutter ist, können wir einer Überforderung gleichsetzen. In diesem klischeehaften Gesellschaftsbild wird impliziert, dass eine Frau nicht nur den Anspruch einer sehr mütterlichen Natur erfüllt, die den Haushalt gut bewältigt und die Kinder versorgt. Sie muss auch abends möglichst “aufgebrezelt” Partner/Partnerin empfangen, dabei glitzern und glänzen und ganz nebenbei einer Arbeit nachgehen, Freundin sein und Pläne für die Freizeit machen. Im Heute kommen noch die Herausforderungen einer Pandemie dazu, möglicherweise Home-Office und Kinder, die zu Hause betreut werden müssen.

Alles in allem verursachen die Herausforderungen oft Stress. Nachdem aber die gesellschaftliche Entwicklung dahin gehend Veränderungen mit sich gebracht hat, dass Frauen gleichzeitig Kinder bekommen, arbeiten gehen und die üblichen alltäglichen Verpflichtungen damit verbunden auch gemeistert werden müssen, kommt es bei vielen Frauen sehr oft zu dem Punkt, dass sie einfach nicht mehr können. Alles ist zu viel und ohne Einschränkungen, meist betreffen diese dann den Bereich der Frauen, nicht bewältigbar.

Mamas dürfen auch keinen schlechten Tag haben. Ich frage nach dem “Warum nicht”.
Eine länger andauernde schlechte Phase, möglicherweise mit Erschöpfung verbunden mit körperlichen Symptomen, entsteht ohnehin aus langer Überbeanspruchung. Ob das jetzt ein einzelnes Gelenk oder eine ganze Mama betrifft, die Folgen einer Überlastung lassen sich kaum verhindern.
Warum nicht dann gleich die Frauen und Mütter dahin gehend unterstützen, dass sie sich einen Tag Auszeit nehmen? Warum nicht dem “schlechten Tag” die Möglichkeit geben, gelebt zu werden?

Mütter rechtfertigen sich sehr oft oder finden Erklärungen für alles, was nicht gelingen mag oder warum sie einen schlechten Tag haben. Manchmal auch vor sich selbst, vor ihrem schlechten Gewissen oder der Familie gegenüber. Sie wollen ja funktionieren.
Aber das braucht es nicht. Es braucht weder Erklärungen noch ein Rechtfertigen.
Eine gute Mutter darf auch schlechte Laune haben, traurig sein oder sich überfordert fühlen. Gerade in der heutigen Zeit. Sehr oft klappt es einfach nicht, gleichzeitig einen Fulltime-Job zu haben und Kinder zu begleiten im größer werden. Darf das nicht mehr sein?

Wenn der Körper schon Signale schickt, die Verdauung angegriffen ist, Schlafprobleme auftauchen, Essattacken oder die Lebensfreude liegen bleibt, dann bedeutet das, er möchte gehört werden. Manchmal ist das Leben einfach richtig anstrengend und es gibt Zeiten, die schwer bis kaum zu meistern sind. Oft kommen Mütter so sehr an ihre Grenzen, dass es ihnen schwer fällt, sich aufzuraffen.

Mamas sind aber auch nur Menschen.

Wie können Mütter ihrem Kind während eines Trotzanfalls Raum geben, wenn sie selbst keinen bekommen? Natürlich reagieren sie dann oft gestresst oder verärgert und das Rad beginnt sich zu drehen. Kind trotzt, Mutter trotzt erschöpft und alles in allem gibt es keinen Lichtblick mehr.

Wie gelingt nun der Weg in Richtung Verbesserung? Was kann man tun, wenn Mama die Energie ausgeht?

Erstmal ehrlich sein zu sich selbst, das Umfeld informieren und um Unterstützung bitten.
Das Loslassen der Vorstellung “alles ALLEINE unter den Hut bringen zu können” und sich in seinen Möglichkeiten akzeptieren und respektieren.
Vertrauen, dass auch andere sich gut um das/die Kinder kümmern können. Ich finde es hat auch damit zu tun, dem eigenen Kind zu vertrauen und es zuzulassen, dass es das schafft.
Kinder verstehen auch, wenn man ihnen sagt, Mama braucht jetzt eine Auszeit. Später gibt es dann Spielzeit und Kuschelzeit.
Es ist auch gut sich immer wieder mal die Frage zu stellen: Was brauche ich?
Neulich erzählte mir eine liebe frischgebackene Zwillingsmama, sie hätte es so genossen, als sie kurz einkaufen war. Nur kurz die Wohnung verlassen, eine Runde drehen und ALLEINE sein, sind doch Möglichkeiten, die das Umfeld einer Mutter schenken könnte.
Kaffee trinken mit einer Freundin, ein kurzer Spaziergang oder mit Ohropax und Decke auf den Balkon oder in den Park legen….sind regenerative Möglichkeiten um Stress kurzfristig zu reduzieren und neu aufzutanken.

Um langfristig ausgeglichen zu sein, benötigt es sicher regelmäßige Entspannungsphasen.

Oft ist es eine Überwindung, die ersten Schritte zu setzen, aber wenn man sich traut, etwas für sich selbst zu tun, dann stellt sich bald das wunderbar entspannte Gefühl ein, etwas Gutes für sich getan zu haben.

Mamas, es ist so, je besser und ausgeglichener du bist, umso entspannter und harmonischer sind die Kids und dein Zuhause. “Geht es der Mama gut, geht es den Kindern gut.”

“Rachel Cusk zeigt uns eindringlich, wie zärtlich und brutal Mutterschaft ist” schreibt der Independent über die Erfahrungen die sie am eigenen Leib auf eine unglaublich ehrliche und unsentimentale Weise, dass es aus meiner Sicht eines der lesenswertesten Bücher über Muttersein ist.

Rachel Cusk “Lebenswerk - über das Mutterwerden” Suhrkamp Verlag

Das Buch von Mareice Kaiser kann ich ebenso wärmstens empfehlen! “Es tut mir leid, ich schaffe gerade gar nichts, außer überleben.”

Versorgerin, Businesswoman, Mom I’d like to fuck - Mütter sollen alles sein und dabei bitte glücklich.

Mareice Kaiser “Das Unwohlsein der modernen Mutter” - Ich möchte nicht überall nur halb sein. Sondern ganz. Rowohlt Polaris Verlag

Gabriella Erber